Meine Vorbereitungen für den West-Highland Way waren alle getroffen, Vorfreude und auch ein paar Ängste und Zweifel kamen auf. Aber das ist bei sowas normal, dachte ich mir. Und eine Erfahrung heraus aus der Komfortzone würde es eh werden, gerade was das Camping angeht. Also los ging es.
Hier geht es zum 1. Teil der Schottland-Reihe.
West-Highland Way – die 1. Etappe: Milgnavie – Drymen
Auch wenn Milgnavie von Glasgow aus sehr gut mit der Bahn erreichen kann, entschied ich mich wegen meines Gepäcks für ein Taxi. Ich hatte ja Zelt, Schlafsack, Isomatte, Reisetasche und Tagesrucksack dabei. Das alles wurde per Gepäcktransport von Etappe zu Etappe transportiert.
Am Bahnhof von Milgnavie wurde das Gepäck abgegeben und es ging los zum Startpunkt des West-Highland Ways. Der Wanderweg führte mich an einem Bachlauf entlang durch Stadtwald. Schon hier war ich von den Farben sehr begeistert. Der Wald war erfüllt von einem unglaublich sattem grün, dass ich das Gefühl hatte, ich befinde mich im Urwald. Von der Vegetation her stimmte das natürlich nicht und auch die Menschen um mich herum holte mich in die Realität zurück. Dennoch genoss ich diese satten Farben, die Gerüche nach Erde und Naturgeräusche. Nach dem Trubel in der Stadt eine wahre Wohltat. Aus dem Wald heraus ging es in eine offene Landschaft und der Dauerregen setzte ein. Rechts von mir befand sich dichter Wald, links von mir offene Heidelandschaft, in der vereinzelt Ginsterbüsche blühten. Sonnengelbe Farbspritzer. Mit Steigung hatten wir am ersten Tag kaum zu kämpfen, abwarten wir das sich in den nächsten Tagen entwickeln würde. Das Terrain war auch anfängerfreundlich, Trittsicherheit war dennoch unabdingbar.
Heidelandschaften, Wälder, Schafweiden und Dauerregen.
Immer wieder führte mich der Weg über oder an Schafweiden vorbei. An den musste ich anhalten, um die kleinen Lämmer zu beobachten. Nach der 5. Schafweide hatte ich auch daran langsam gewöhnt, freute mich aber immer noch darüber. Zwischendurch kam ich an einer Whiskey-Distillerie vorbei, an der einige Wanderer einkehrten, bzw. eine Besichtigung buchten.
Nach zwei Stunden kümmerte mich auch der Dauerregen nicht mehr. Langsam musste ich eine Pause einlegen und suchte einen kleinen Unterschlupf, der einigermaßen regenfrei war. Wie sich später herausstellte, legte ich die Pause viel zu spät ein, da ich kurz später schon in meiner ersten Unterkunft ankam. Ich hatte auf einem Campingplatz eine kleine Unterkunft gebucht, die aussah wie ein Weinfass. Ein richtig kleines Tiny House. Mein Gepäck war bereits an der Unterkunft. Gemütlich war dort Platz für zwei Personen. Der Dauerregen hatte aufgehört und ich zog endlich meine Wanderschuhe aus. Freiheit für die Füße. Nach einer Wanderung gibt es doch kein besseres Gefühl.
West-Highland Way – die 2. Etappe: Drymen – Loch Lomond
Am nächsten Morgen wurden ich wach von den ersten Wanderern, die ihre Zelte bereits abbrachen und sich auf den Weg machten. Als ich aufstand, wurde mir bereits bewusst, dass ich vielleicht etwas besser für die Wanderung hätte trainieren sollen. Meine Beine und Füße taten immer noch weh und morgen würde es mit dem Muskelkater bestimmt so richtig schlimm werden. Aber auch ich beschloss, meine Sachen wieder einzupacken und für den Gepäckservice abzugeben. Heute würde es wenig Wald und viel Heide- und Graslandschaften zu sehen geben. Das Wetter belohnte uns heute mit viel Sonnenschein.
Über den Conic Hill zum Loch Lomond
Die zweite Etappe führt über den Conic Hill. Es besteht auch die Möglichkeit, diesen auszulassen und einen Abzweig zu nehmen, der an einer Landstraße zum Loch Lomond führt. Ich wollte mir den Conic Hill jedoch nicht nehmen lassen und Landstraße hörte sich für mich auch nicht wirklich verlockend an. Rückblickend hätte ich vielleicht meide von Muskelkater geprägten Beine in diese Überlegung mit hineinziehen sollen. Schon als ich auf den Conic Hill zulief fragte ich mich schon, wie ich da raufkommen sollte. Er lag direkt vor mir. Der Anstieg zum Conic Hill war zwar schön, aber auch sehr brutal. Ich war gut ausgebaute Wanderwege, mit einigermaßen Trittsicherem Terrain gewöhnt. Das war hier etwas anders. Der Weg zum Berg hinauf war recht gerade, ohne große Serpentinen und mit etwas, was man wohl Treppenstufen nennen könnte. Nur das diese ungefähr doppelt so hoch waren, wie normale Stufen, die ich kannte. Und die Steine, die diese Stufen formten waren sehr grob, sodass man permanent nach untern schauen und sich ziemlich konzentrieren musste, damit man sich keinen Fehltritt leistete. Der Anstieg war sehr steil. Aber ich wusste, dass ich vermutlich mit einer recht guten Aussicht belohnt wurde. Auch an dem Tag habe ich es mit den Pausen eher sporadisch gehalten, und dachte mir eine schöne Pause auf dem Gipfel würde ausreichen. Als ich also mit dem Aufstieg begann, merkte ich meinen Muskelkater in den Oberschenkeln bei jedem. Einzelnen. Schritt. Irgendwann kam ich an. Und die Aussicht war doch ziemlich phänomenal. Man konnte sehr gut über den Loch Lomond blicken und sah die Highlands am Horizont. Unglaublich beeindruckend. Genau dafür war ich losgegangen. Nun war ich oben. Aber irgendwie musste ich auch noch runterkommen. Der Abstieg war fast genauso schlimm wie der Aufstieg. Unten angekommen machte ich erstmal eine lange, ausgiebige Pause.
An der Küste des Loch Lomonds entlang
Danach wurde der West-Highland Weg nur noch schöner und schöner. weil er an der Küste des Lochs entlangführte. Die ganze Zeit mit dem Blick auf die Berge auf der anderen Seite des Sees. Absolut traumhaft. Immer wieder ging der Weg vom Strand in den Wald, der direkt dahinter lag. Dort war es wieder so schön saftig grün, der Waldboden mit Moos bedeckt und hier und da konnte man schon Frühlingsblumen ausmachen, die auf moosbewachsenen Baumstämmen wuchsen oder zwischen Gräsern emporragten. Nach einer Weile durch diesen Küstenstreifen kam ich am Zeltplatz an. Diesmal wollte ich auch wirklich Zelten. Es war etwas schwierig, einen ebenen Untergrund für das Zelt zu finden. Aber ich war auch sehr erledigt von der Etappe heute. Also wurde das Zelt einfach irgendwie aufgebaut, Hauptsache es ging schnell. Als Dinner musste heute die 5-Minuten-Terrine aus dem Campingplatz-Shop reichen. Allmählich verließen wir die Zivilisation und auch die Möglichkeiten, etwas fürs Dinner einzukaufen wurden weniger. Hätte ich mal einen Campingkocher mitgenommen… Dann legte ich mich auch schon schlafen, zu mehr war ich nach der doch echt anstrengenden Etappe einfach nicht mehr in der Lage. Und im Zelt wurde es allmählich auch echt kalt… Ich machte mir noch eine Wärmflasche und wollte einfach nur schlafen. Doch ich fror unheimlich. Schlafsack und Isomatte boten doch wohl nicht die gewünschte Isolation. Auch wenn es tagsüber in der Sonne schön warm war, waren die Nächte doch noch echt eisig. Die Nacht war schrecklich. Ich war erschöpft, aber konnte einfach nicht schlafen, weil es so kalt war. Irgendwann in den Morgenstunden wachte ich aus meinem Halbschlaf auf und überlegte, wie es weiterging.
West-Highland Way: Abbruch
Die letzten beiden Tage waren so vielversprechend, dass ich es unbedingt weiter schaffen wollte. Aber mit dieser Erschöpfung weiter zu laufen machte einfach keinen Sinn. Zumal die nächsten Unterkünfte wieder Zeltplätze waren und davon auszugehen war, dass ich ähnlich gut schlafen würde wie die letzte Nacht. Meine Klamotten waren klamm, das mit dem Zeltaufbauen hatte nicht richtig gut geklappt. Mein Schlafsack und Isomatte waren einfach zu dünn. Auch mit Wärmflasche und drei Lagen Kleidung war mir einfach nicht warm genug gewesen in der Nacht.
Das vernünftigste, auf das ich mich einlassen konnte war tatsächlich, die Weitwanderung auf dem West-Highland Way abzubrechen. Ich konnte es nicht glauben und es brach mir das Herz, weil ich mich so sehr darauf gefreut hatte und die zerklüftete Landschaft noch gar nicht richtig angefangen hatte und genau dafür war ich doch hier.
Aufgeschoben heißt nicht aufgehoben.
Noch bevor mein Entschluss feststand, war mir klar, dass es auf jeden fall ein „nächstes Mal“ geben würde. Ich wollte es unbedingt mal bis nach Fort William schaffen, wenn auch nicht dieses Mal.
Gute Vorbereitung ist die halbe Miete bei einer Weitwanderung
Mir mangelte es an Übung und Campingerfahrung und auch an Vorbereitung. Klein anfangen und dann die Weitwanderung besser vorbereitet und geübt nochmal versuchen. Mit dem Taxi ging es dann wieder Richtung Glasgow. Innerhalb von 45 Minuten war ich dann wieder in der Stadt, wo ich doch 2 Tage gebraucht hatte, diese Strecke zu Fuß zurück zu legen…
So kam es, dass ich 5 Tage eher als gedacht wieder in den Flieger Richtung Heimat stieg. Und trotzdem war der Urlaub für mich mit unglaublich wertvollen Erfahrung gespickt. Diese Landschaft hat mich so fasziniert, dass ich es unbedingt wieder versuchen möchte und dann werde ich es auch bis zum Ende schaffen.
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