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Der Start ins Berufsleben ist kein Zuckerschlecken. Das war mir bereits klar. Und ich habe mich aufs Arbeiten richtig gefreut. Endlich mal wieder was tun, praktisch arbeiten, nicht nur theoretische Inhalte, endlich wieder eigenes Geld verdienen.
Nachdem ich schon einige Semester länger als geplant für das Studium brauchte, konnte ich es kaum erwarten, endlich fertig zu werden. Bevor ich mit der Bachelorarbeit so richtig durchstartete, hielt ich es mir noch offen, ob ich einen Master anschließen wollte oder direkt ins Berufsleben starten wollte. Während ich an meiner Bachelorarbeit schrieb, stellte ich dann fest, dass ich mich der Erfahrung eine Abschlussarbeit anzufertigen nicht noch ein zweites Mal aussetzen wollte. Wobei ich mich für die fachliche Fortbildung, die ein Master mit sich bringt, sehr viel Lust gehabt hätte. Aber nochmal die Tortur einer Abschlussarbeit? Nein danke. Dahin würden mich keine zehn Pferde bekommen – jedenfalls nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Also entschied ich mich dafür, direkt nach dem Bachelor ins Arbeitsleben zu starten. Sobald die Entscheidung stand, konnte ich es kaum abwarten, mein erstes eigenes Geld zu verdienen, nicht mehr als sparsamste Studentin zu leben und endlich etwas tun, was über die theoretischen Inhalte der Uni hinausging.
Recht kurze Zeit später stellte sich heraus, dass ich vielleicht doch eine zu romantische Vorstellung vom Arbeitsleben hatte…
Ich wurde auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Unsanft und plötzlich. Ich konnte meine Zeit mir nicht mehr frei einteilen, den Arbeitsplatz nicht verlassen, wann ich wollte und mir keinen freien Nachmittag gönnen, weil ich ihn grad brauchte oder weil mir einfach nur danach war.
Nein, jetzt hieß es durchbeißen und die mindestens acht Stunden Arbeit überstehen. Danach ging es dann mit dem anstrengenden Alltag weiter: einkaufen, was will ich mir heute kochen? Ich vermisste die Mensa schmerzlich. Während des Studiums nimmt man die Mensen und Cafeterien doch für selbstverständlich an. Schade, dass einem so etwas immer erst später einfällt. Wenn ich nun nach Hause komme am späten Nachmittag, muss ich noch einkaufen, mir überlegen, was ich kochen möchte und dann auch noch mir ein Essen für den nächsten Arbeitstag vorbereiten. Wie will man da noch Zeit finden für Sport, Hobbies oder ein funktionierendes Sozialleben – ohne sich komplett zu verausgaben und sich zu stressen?
Es ist okay, wenn der Berufseinstieg überfordernd ist.
Ich verstand es nicht. Warum fiel mir das jetzt so schwer, warum war ich ständig so müde, ausgelaugt hatte keine Lust mehr? Wo ich es doch schonmal während meiner Ausbildung mit einer 40-h-Woche geschafft hatte, die auch körperlich deutlich anstrengender war als jetzt. Warum ist es jetzt so ein Kampf? Ich hatte mich wohl doch sehr ans Studierendenleben gewöhnt und musste mich nun auch wieder ans Arbeitsleben gewöhnen.
Um eins klarzustellen; ich mochte die Tätigkeit sehr. Daher konnte es nicht daran liegen, dass ich gelangweilt war oder den Job nicht mochte. Im Gegenteil, es war für mich superspannend, jeden Tag Neues zu lernen, auch wenn das für mich bedeutete, dass ich mich ständig etwas außerhalb meiner Komfortzone bewegte. Ich merkte jedoch, dass genau das mir auch guttat.
Letztendlich glaube ich, dass es die Umstrukturierung des Alltags ist, die einfach anstrengend ist. Der Arbeitsalltag sieht ganz anders aus als der Unialltag. Auch wenn das von außen gar nicht immer so sichtbar ist. Denn schließlich sitzt man auch in der Uni am Schreibtisch, arbeitet fast den ganzen Tag für seine eigenen Module. Aber der große Unterschied ist ja der, dass man selbst frei entscheiden kann, wann man das tut und woran man gerade arbeitet. Das ist im Beruf nicht mehr so. Ein großer Punkt ist der, dass man einfach nicht mehr so oft seine Freunde sieht, mit denen man sonst täglich in der Uni zu tun hatte. Der soziale Aspekt ist hier auch nicht zu vernachlässigen.
Gerade nach ein paar Wochen merkte ich total, dass ich lange viele Freunde nicht mehr gesehen hatte. Nun musste ich mich aktiv darum kümmern, dass Treffen mit Freunden zustande kommen. Man traf sich nicht mehr selbstverständlich in Mensa oder Veranstaltungen. In der Hinsicht kann der Arbeitseinstieg auch sehr einsam sein.
Man ist überfordert mit der gesamten Situation, arbeitet erstmal recht viel, danach wartet der Alltag man ist müde, sodass die Energie abends nicht mehr reicht, sich mit Freunden zu treffen, sondern sie reicht höchstens noch für ein bis zwei Folgen der Lieblingsserie bevor es dann Richtung Bett geht, bevor am nächsten Tag genau das gleiche wieder ansteht, bis dann endlich Freitag ist und man das Wochenende dazu nutzt, seine Batterien wieder aufzuladen. Je nach Typ Mensch ist dann vielleicht doch noch drin, sich mit Freunden zu treffen.
Währenddessen bekommt man mit, dass die Kommilitonen einen guten Abend in der Kneipe hatten und am nächsten Morgen sich selbst dafür oder dagegen entscheiden können, die Veranstaltung um 10 Uhr zu besuchen oder es zu lassen. Langsam wird einem also bewusst, dass es das nun mit dem Studierendenleben gewesen ist. So lang ersehnt und dann doch so plötzlich gekommen. Was nicht heißt, dass es keine Kneipenabende oder WG-Partys mehr gibt. Aber man wird sich nicht mehr täglich in der Uni sehen und das wird auch etwas mit den Freundschaften machen, die man in der Uni geschlossen hat.
Schließlich ist es doch so, dass der Mensch ein Gewöhnungstier ist. Man kann sich gut und relativ schnell an neue Situationen gewöhnen. Dabei darf man vor allem Geduld mit sich selbst haben und muss nicht immer alles auf einmal wollen.
Am Anfang war ich davon überzeugt, dass ich jeden Abend frisch kochen musste oder auch direkt Sport mit dem Arbeitsalltag auf die Kette kriegen sollte. Und mit meinen Unifreuden wollte ich mich auch regelmäßig treffen. Nach ein paar Wochen hat sich herausgestellt, dass ich mich mit meinen Erwartungen mal wieder selbst überforderte. Mein Mantra lautete seitdem: Step-by-step. Nicht alles auf einmal.
Es ist alles machbar, aber halt nicht auf einmal.
Erstmal die Gewöhnung an den Acht-Stunden-Arbeitsalltag.
Dann können andere Prioritäten umgesetzt werden.
Auch hier – nicht alle auf einmal. Wenn dir Sport oder Zeit für Kochen oder Treffen mit Freunden wichtig ist, überleg dir, wie du das gut in deinen Alltag implementieren kannst, ohne dich zu stressen oder dich zu überfordern.
Fest steht, dass man nichts planen kann und das darf auch sein. Gerade für mich als Mensch, der gut und gerne alles Mögliche plant, war auch das schwer. Aber wie gesagt – Gewöhnungssache. Also habe ich mich mit Freunden getroffen, wo es mir möglich war und es mir guttat. Wenn mir nicht danach war, vor allem nach einem langen Arbeitstag habe ich es halt gelassen. Das werden gute Freunde dann verstehen. Und die wirklichen guten Freunde werden auch über mehrere Lebensphasen bei einem bleiben, die über das Studium hinaus gehen und können auch bei der Veränderung von Lebensumständen eine Stütze darstellen. Da darf man auch mal um Hilfe fragen.
2 Comments
Wow, vielen lieben Dank für die tiefen Einblicke!
Mir hilft das sehr, insbesondere als Studentin!
Mach weiter so. 🙂
Ich wünsche dir alles, alles Liebe und Gute 🙂
Danke dir Alice, das ist wirklich schön zu hören 🙂